Notizen zum Thema 'Usability'

°\°|°/°/°

°\°|°/°/° von leicagirl (photocase.de)

Themen:

Usability-Tests können auch in die Irre führen (22.2.2010)

Microsoft hat für Office 2010 die Programm-Icons geändert. Die Programme werden nun vorrangig durch ihren Anfangsbuchstaben identifiziert:

Icons für Office 2010

Zum Vergleich die Symbole von Office 2007, der Vorgängerversion:

Office-Icons 2007

In einem Blogeintrag begründet Keri Vandeberghe von Microsofts Office Design Group den Philosophie-Wechsel:

"The new icon designs respond to research that informs us that users can more easily associate icons by letter and color than by abstract design."

Das Ergebnis der Untersuchung leuchtet ein. Ein großes 'V' hat mehr mit 'Visio' zu tun als ein Quadrat und eine Raute. (Dass es nun allerdings drei 'P'-Icons gibt, die farblich eine Herausforderung für Menschen mit Rot-Grün-Schwäche sind, steht auf einem anderen Blatt).

In den Kommentaren zu Vandeberghes Beitrag stoßen die neuen Icons überwiegend auf Ablehnung. Sie seien ein Design-Rückschritt, ein Abklatsch von Adobes Rebranding 2006 oder einfach nur schrecklich und hässlich.

Usability vor Ästhetik?

Mir geht es nun nicht um die Frage, ob das Ergebnis gelungen ist oder nicht, sondern um die Vorgehensweise bei der Entscheidungsfindung. Die besagte Studie hat wohl eindeutig gezeigt, dass Buchstaben im Icon hilfreich sind. Usability definiert Ästhetik. Das klingt nach einer guten Nachricht. Ich bin immer dafür, wenn etwas einfacher und verständlicher wird.

Allerdings bleibt ein Unbehagen, wenn eine Änderung auf mehrfach geäußerte und so massive Ablehnung stößt. Das ist ein Zeichen, dass etwas nicht stimmt. Usability-Untersuchungen haben in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Vor allem, wenn sie klare Zahlen liefern können wie die Marktforschung im Konsumgüterbereich. 70% finden das zweispaltige Layout besser, also nehmen wir das. Schöne und lehrreiche Beispiele liefert dafür Anne Hollands 'Which test won?'.

Was die quantitativen Tests aber unterschlagen sind die Meinungen der Minderheit. Warum fanden sie die 'Verlierer'-Lösung besser oder was stört sie an der Mehrheitslösung? In diesen Informationen steckt ein enormes Potenzial, um aus einer funktionierenden Variante eine noch bessere zu machen.

Wer Tests zur vorherrschenden Entscheidungsmethode macht, sollte auch den 'konservativen' Charakter von Testergebnissen bedenken. Marktforschungen sind sehr hilfreich, um die herrschende Meinung herauszufinden, da sie aus den aktuellen Erfahrungen und Haltungen der Befragten resultieren. Bei der Prognose zukünftiger Präferenzen können Sie aber ziemlich daneben liegen (wie man aus den Wahlumfragen weiß). Joan Rowlings 'Harry Potter' wurde zunächst auch von mehreren Verlagen abgelehnt. Was für ein kostspieliger Irrtum.

Gespeichert unter: Projektberatung Usability

 

Verwirrende On-, Off-Anzeigen (20.2.2010)

In meinem Elternhaus gibt es einen Keller mit zwei Räumen. Die Lichtschalter für beide Räume befinden sich oben an der Treppe. Die beiden Kippschalter sind horizontal nebeneinander angeordnet und darüber gibt es zwei Lämpchen, die anzeigen sollen, in welchem Keller das Licht brennt. Dummerweise sind die Lämpchen vertikal positioniert. Noch heute rätsele ich jedes Mal, welcher Schalter für welchen Keller zuständig ist. Sicherheitshalber drücke ich deshalb immer beide Schalter.

Vor kurzem sind mir zwei ähnliche Probleme begegnet.

Auf Facebook gibt es die Anwendung RSS-Grafitti, die RSS-Feeds auswertet und die enthaltenen Nachrichten auf der Pinnwand des Nutzers veröffentlicht. Das ist sehr praktisch, wenn man z.B. seine neuesten Blogeinträge auch direkt auf Facebook posten will.

Die Anwendung ist auch durchaus empfehlenswert, allerdings kam ich an einer Stelle ins Grübeln. Der Statuseintrag, den RSS-Grafitti auf der Anwendungsseite für jeden Feed erstellt, sieht so aus:

RSS-Grafitti-Schalter

Paradoxerweise wird erst ganz klar, was gemeint ist, wenn man auf 'ON' klickt. Dann verschiebt sich nämlich die Fläche mit dem weiß-grauen Farbverlauf und der Schalter steht auf 'OFF'. (Nur nebenbei: das ist fast wie früher bei Windows, als man auf 'START' klicken musste, um den Rechner herunterzufahren. Nachtrag: ironischerweise ist dieser Schalter ein Standardelement von Apples iPhone, wie ich inzwischen festgestellt habe)

Ähnlich irritiert bin ich, wenn ich die Kochplatten unseres Büros benutzen möchte. Wir haben zwei, die vom Kochenden aus betrachtet hintereinander liegen. Die Regler für die Platten sehen so aus:

Regler für Kochfelder

Meiner Ansicht nach sollte der linke Regler das hintere Kochfeld steuern. Hell bedeutet für mich 'an', 'Feuer', 'rotglühendes Kochfeld'. Meine Kollegin meint, dass natürlich der ausgefüllte Punkt die Position des zugehörigen Kochfelds anzeigt. Und sie hat Recht (für Usability-Analysen ist es manchmal hilfreich, wenn man selber DAU ist. Smarte Menschen haben solche Probleme gar nicht ;-) ).

Wodurch entstehen nun aber die Verständnisschwierigkeiten und wie lassen sie sich lösen? Die drei missverständlichen Schalterdesigns haben Schwächen in der Kontextualisierung. Sie stellen keinen intuitiven Bezug zu dem Zustand her, den sie repräsentieren.

Die Lichtschalter müssten so angeordnet sein wie die Kellerräume. Am besten innerhalb einer Grundrissansicht der Kellerräume. Beim Button von RSS-Grafitti würde ein kleiner Link 'disable' genügen. Dann ist klar, das 'ON' die Statusanzeige ist und der Link 'disable' eine Möglichkeit bietet, diesen Status zu ändern. Die einfachste Lösung für unsere Büroküche wäre, die Regler neben den Kochfeldern zu platzieren. Oder die ausgefüllten Punkte deutlich größer zu machen als die leeren. Aber da ich offensichtlich der einzige DAU im Büro bin, lohnt sich das wohl nicht.

 

Gespeichert unter: Usability

 

Bürgerbeteiligung mit Hindernissen bei e-Konsultationen (19.1.2010)

Eine gute Sache. Die Bundesregierung fragt uns nach unserer Meinung. Über e-Konsultationen sollen Bürger bei Vorhaben der Politik und Verwaltung mitgestalten dürfen. So wurde zum Beispiel der Entwurf zum Bürgerportalgesetz aufgrund der Anmerkungen von Umfrageteilnehmern (ein bisschen) modifiziert.

Aber dann ist diese Seite zur Bürgerbeteiligung einfach eine Datenbanktextwüste mit verwirrenden Links. Kein Fokus, keine inhaltliche Hierarchie, nur nebensächliche Aktionsmöglichkeiten wie die Buttons für das Newsletterabo und die Weiterempfehlung der Seite.

Um festzustellen, dass es gerade keine aktives Beteiligungsprojekt gibt, muss man die Liste der 'E-Konsultationen' durchgehen und auch die Anmerkung finden, dass der Status entweder 'abgeschlossen' ist oder es gar keinen Link zur Beteiligung gibt.

Bei abgeschlossenen Beteiligungen heißt der Linktext 'Zur Online-Beteiligung' oder 'Zur e-Konsultation'. So als könnte man noch mitmachen. Wäre es nicht deutlicher zu schreiben: 'Zur Dokumentation und Auswertung der abgeschlossenen Online-Beteiligung'? Und für das aktuelle Projekt bietet die Seite nur diesen rätselhaften Hinweis:

Verwirrender Freischaltungs-Link

Muss ich mich erst registrieren und freischalten lassen, um am Online-Dialog teilzunehmen? Oder muss der Minister den Link freischalten? Und wann wird diese Freischaltung sein? Wenn ich mich am angegebenen Datum orientiere, müsste die Aktion eigentlich schon laufen. Sehr verwirrend dieser Hinweis. (Nur nebenbei: heißt es nun offiziell 'Netz-Politk' oder 'Netzpolitik' oder gibt es da subtile Unterschiede?)

Schön fände ich auch, wenn ich ein ein Thema auswählen oder vorschlagen könnte, an dem ich mich beteiligen möchte oder sogar eine Umfrage selbst anlegen. Aber das wäre vielleicht etwas zu viel 'Netz' und zu viel 'Beteiligung'.

Gespeichert unter: Usability Netzpolitik

 

Libreka - das E-Book-Debakel des Börsenvereins (3.12.2009)

Im Perlentaucher-Newsletter blinkte heute ein Banner von Libreka, der Vermarktungsplattform des Buchhandels für digitale Inhalte. Ein Adventskalender logischerweise. Und siehe da, es gab "Die Frau des Schriftstellers" von Ernst-Wilhelm Händler kostenlos zum Download.

Die Vorschaufunktion ist recht schick und die Bestellung ging noch einfach (bis auf die erzwungene Registrierung mit Passwortwahl). Doch als ich am Ende den Button "E-Book Download" anklickte, zeigte mir Opera nur den kryptischen Inhalt einer XML-Datei. Auf der Hilfeseite stellte ich fest, dass es "Systemvoraussetzungen" gibt. Internet Explorer ab Version 6 und Firefox ab Version 2. Von da an wusste ich, dass an der Seite was faul ist.

Mit Google Chrome funktionierte der Download, allerdings konnte keine Anwendung mit einer .ascm-Datei etwas anfangen. Die Hilfe auf Libreka lieferte Aufklärung: der Leser braucht DRM-Management von Adobe. Vier Schritte und 16 Screenshots Erklärungen sowie eine zusätzliche Registrierung bei Adobe sind notwendig, um das E-Book nur herunterladen zu können. So wird man garantiert rasend erfolgreich.

Aber meine Neugier war geweckt. Und so sah der Beginn einer kleine Recherche aus:

Libreka bei Google am 3.12.2009

Die Seite hat nicht einmal eine Meta-Description, in der der Seitename auftaucht. Keine schöne Visitenkarte. Vor lauter Rechteschutz war wohl kein Budget mehr für Qualitätssicherung übrig. Ein paar Links weiter unten fand ich dann auch Hintergründe:

Nach Wikileaks hat libreka.de eine Million gekostet und im September sage und schreibe 32 E-Books verkauft. Ein wunderbares Beispiel wie schnell und hart man im Internet auf die Nase fällt, wenn man als Anbieter dem Kunden seine Konditionen aufzwingen will. Und dann noch mit einer Technologie, die bereits vor dem Start geknackt war. Da brennt's wohl gerade in der Hütte.

Gespeichert unter: Usability Suchmaschinenoptimierung